Virtuelle Numismatik

David Wigg-Wolf | Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt am Main 9 oder nicht 9? Neues zu den Fundmünzen von Waldgirmes

In Waldgirmes gibt es sehr eindeutig einen Horizont nach 9 n. Chr. (vgl. zB „Der ganz genaue Blick – Mikrobeobachtungen in Waldgirmes„). Es gibt jedoch keine Münzen, die aus dieser Zeit stammen. Die Schlussmünzen werden hier in die Jahre 2-4 bzw. 7-3 v. Chr. datiert. Durch Gegenstempel des Varus kann diese Datierung bis 6-9 n. Chr. erweitert werden. Evtl gab es in der Zeit nach 9 n. Chr. keine Belieferung mit neuen Münzen. Dies stellt jedoch ein großes methodisches Problem dar. Linksrheinisch sind die Münzen der Reihe Lugdunum II vorhanden, die in diese Zeit datiert werden können. Dies kann evtl damit erklärt werden, dass wir Münzen meist als Weihe- oder Hortfunde finden. Dazu kommen noch verlorene Münzen, deren Anzahl jedoch recht gering ist.  In Marktbreite ist die Anzahl der Münzen ebenfalls sehr gering, so dass überlegt werden muss, ob Weihe- und Hortfunde an diesen Plätzen schlichtweg fehlen (zB weil Horte wieder geborgen wurden) und daher eine Lücke in dieser Zeit entsteht.

Im zweiten Teil geht Wigg-Wolf auf die Datierung von Gegenstempeln ein. Bei den Gegenstempeln lassen sich 3 Phasen herausarbeiten. Lugdunum II schließt eine zeitliche Lücke zwischen den Phasen, fehlt jedoch im rechtsrheinischen. Durch Vergesellschaftung verschiedener Münztypen und Stempel lassen sich virtuelle Stempel auf bestimmten Münztypen bilden. So ist AVC ein Stempel, der vor allem auf Lugdunum I und virtuell auch auf Lugdunum II vorkommt. Hier müsste es sich um einen Horizont zwischen 9 n. Chr. und tiberischer Zeit handeln. TIB Stempel kommen vor allem im Rheinland vor. Wigg-Wolf erläutert durch historische Gegebenheiten, dass dieser in der Zeit von 10-14 n. Chr. vorkommen müsste. Im rechtsrheinischen fehlt dieser zwar, würde sich jedoch in eine Lücke einfügen lassen, die durch schlechte Belieferung erklärbar wäre. Es entsteht ein „virtueller“ Münzhorizont! Abschließend regt Wigg-Wolf an, dass man den Münzumlauf vom Oberaden-Horizont bis in spättiberische Zeit rekonstruieren müsste und sollte um dieser Fragestellung und den methodischen Problemen nachzugehen.

Im Anschluss gibt es eine angeregte Diskussion, die sich zunächst auf methodische Modelle der Numismatik bezieht. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Belieferungsmodelle der römischen Legionen. Im Anschluss werden noch numismatische gegen althistorische Argumente miteinander abgewogen. Dabei wird diskutiert, ob in der Zeit der Germanicus Feldzüge die Soldaten eventuell mit älteren Bronzemünzen aus dem Nachlass des Augustus († 14 n. Chr.) beliefert wurden (These von Wigg-Wolf). So könnte man TIB Stempel auf älteren Münztypen erklären. Demgegenüber verweist Kehne (vgl. „Fehlinterpretationen bei Tacitus’ Annalen„) auf die Annalen des Tacitus, in denen klar gesagt wird, dass der Lohn der Soldaten durch große Kredite bezahlt wurde, es sich dabei also an sich um kein kaiserliches Geld handelte. Ein tiberischer Stempel wäre entsprechend nicht erklärbar.

(cl)


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