Der Alien und Germanicus

Roland Kaestner | Institut für strategische Zukunftsanalyse der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung

Die Feldzüge des Germanicus aus militärischer Perspektive

Im ersten Vortrag am zweiten Tag wird uns eine interessant, nicht primär archäologische Perspektive geboten: Oberst a. D. Roland Kaestner analysiert die Umstände der Germanicus-Feldzüge aus dem militärischen Blickwinkel. Als ehemaliger Bundeswehrangehöriger vielleicht der ‚Alien‘ unter den Vortragenden heute – wegen seines abweichenden Blickwinkels aber durchaus bereichernd!

Interessant ist sein Ansatz, weil er sich mit der Abschätzung (fiktiv) zukünftiger Ereignisse und ihren Folgen auseinandersetzt – eine archäologisch praktisch nie genutzte Methode. Durch eine starke Schematisierung werden detailliert mögliche Ereignisabfolgen entworfen, die bis hinunter auf die konkrete Umsetzung der Planung vor Ort während des Feldzuges reichen können. Altertumskundliche Quellen werden dann erst in einem zweiten Schritt eingefügt.

Ausgangspunkt ist die Gesamtsituation des Römischen Reichs im ersten Jahrzehnt vor Christus. Hier werden generelle Grenzen und Möglichkeiten des römischen Militärs verdeutlicht (pannonischer Aufstand – Armenien – Marbod). Ganz klar wird herausgestellt, wie enorm der Vorbereitungsaufwand und -zeit auf römischer Seite ist. Einzelne Schritte der Potentialanalyse von Hr. Kaestner sind (1) die Lagefeststellung – (2) die Lageanalyse – (3) die Entwicklung möglicher Szenarien – (4) die Auswahl und Bewertung der Szenarien (5) ggfs. die Modifikation. Aus der Struktur der römische Armee ergibt sich eine nur eingeschränkte Anzahl von konkreten Handlungsmöglichkeiten. Diesen kann in Wenn/Dann-Szenarien im Prinzip einzelnd nachgegangen werden.

Gerade die Unabhängigkeit von den bisher bekannten Quellen könnte den Ansatz gewinnbringend machen und ermöglicht es, das archäologische Potential in der Landschaft abzuschätzen. Problematisch bleibt dabei der Beitrag von altertumskundlicher Seite, also die nur ungenaue Kenntnis zum Beispiel allein der wirklich teilgenommenen Soldaten und allen daraus resultierenden Folgen (Transport – Lager – Versorgung).

Dadurch ist die interessante Methode zugleich der größte Diskussionspunkt: Kann eine so starke Schematisierung wirklich vergangene „Realitäten“ abbilden?

Was ist eure Meinung?

(md)


2 Gedanken zu “Der Alien und Germanicus

  1. Ein wirklich interessanter Ansatz. Meine Frage wäre-waren die geographischen Gegebenheiten exakt dieselben wie zur Zeit als die „bekannten“ Aufmarschpunkte genutzt wurden? was hat sich seit den Germanicus Feldzügen in der Geographie verändert? kann man die Versorgungswege des Heeres damals heute einigermassen realistisch nachvollziehen? Sicherlich kein Fehler wenn sich einmal ein Militärexperte aus seiner Sicht dieser Thematik annimmt

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  2. Hi, danke für die Frage! Es gibt Landschaftsmerkmale die sich stark verändert haben (Bewuchs, Wasserläufe) und einige, die sich kaum geändert haben (Relief des Terrains). Wie auch Hr. Kehne gestern verdeutlicht hat, ist die antike Perspektive, also die direkte Anschauung vor Ort und nicht von einer Karte her, auch immer zu beachten. Herr Kaestner hat hier nur Perspektiven skizziert und keine vollständigen Szenerien erstellt – das bliebe noch zu tun. Das Potential und die Einschränkung auf wenige realistische Möglichkeiten ergibt sich aber aus der Struktur der römischen Armee und scheint zumindest mir tatsächlich sehr stichhaltig zu sein (md)

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